Der Tag an dem der Hund fortschwamm

Urlaub auf Föhr, wir sitzen am Strand und schauen aufs Meer. Es ist Ebbe, das Wasser zieht sich langsam zurück, Spaziergänger suchen Muscheln in den Pfützen, kleine Grüppchen stehen zusammen und unterhalten sich. Einige Kinder stehen auf Surfbrettern und versuchen sich im Stand-up-Paddeln unterstützt von Eltern, die vom Strand aus Hilfestellung geben. Ein Junge hat Schwierigkeiten, weil ein Hund sein Surfbrett umkreist und nicht abzuweisen ist. Das Surfbrett schwankt gefährlich, der Junge versucht, den Hund nicht mit dem Paddel zu treffen und beschwert sich lauthals: „Was soll ich machen? Er geht einfach nicht weg?“

Da dreht der Hund ab und schwimmt in die andere Richtung. Alle wirken erleichtert. Der Junge hält das Gleichgewicht, der Vater ist zufrieden. Der Hund schwimmt weiter. Ein kleinerer Hund läuft bellend ins Wasser, das ist dort noch tief und er muss auch schwimmen. Die beiden begrüßen sich, umkreisen sich, sie werden jetzt wohl zurückkommen. Doch nur der kleinere kommt zurück, der andere schwimmt weiter. Der Vater und Herrchen des Hundes ruft. Der Hund schwimmt weiter. Das Wasser hat nun schon einen deutlichen Sog, die Kinder kommen mit ihren Brettern zurück an den Strand. Nur der Hund schwimmt weiter. In der Ferne sieht man die Halligen im Dunst, ein leichter Wind kommt auf. Der Hundebesitzer rudert mit beiden Armen in der Luft und ruft. Der Hund schwimmt weiter. Inzwischen stehen mehrere Menschen bei dem Hundebesitzer. Alle wirken aufgeregt. Auch die Kinder rufen nun, der kleinere Hund hüpft hin und her und bellt. Der Kopf des Schwimmers wird allmählich kleiner, aber er schwimmt weiter.

Bewegung kommt in die Gruppe. Der Hundebesitzer zieht seine Hose aus und geht ins Wasser. Er ruft, es klingt verärgert. Der Hund schwimmt weiter. Das Wasser reicht dem Mann nun schon bis zum Bauch, er ruft wieder. Jetzt klingt es verzweifelt. Dann schwimmt er los. Der Pulk am Strand steht gebannt, immer mehr Menschen werden es. Der Mann ist ein guter Schwimmer. Schließlich hat er den Hund erreicht, packt ihn am Halsband und will zurück. Der Hund wehrt sich. Wo will er nur hin?

Der Mann ist stärker, er zieht den Hund neben sich her. Gleich haben sie wieder festen Boden unter den Füssen aber der Mann lässt den Hund nicht los. Beifall kommt auf.

Gerettet. Gerettet?


Regen

Sie hörte es schon im Bett. Es regnete. Es war nicht nur das Rauschen des Windes in den riesigen Buchen, es war ganz eindeutig Regen, ein sanfter Regen. Die Tropfen schlugen nicht gegen die Scheiben, sondern fielen gerade herunter auf das frische Gras und die frühjahrswarme Erde. Als sie in die Küche kam und durch die Sprossenfenster nach draußen sah, war es gar nicht so düster, wie sie befürchtet hatte. Im Gegenteil, der silberne Himmel, aus dem immer noch stetig dicke, runde Tropfen fielen, schien wie von oben beleuchtet. Das Licht war eigenartig hell und warm. Sie begann, den Tisch zu decken und den Tee vorzubereiten. Nach kurzem Überlegen entschied sie sich für einen "Earl Grey". Beim Öffnen der Teedose stieg ihr der feine Geruch der Teeblätter verbunden mit dem Bergamottöl in die Nase. Die scharfe Zwiebel, die sie für die Avocado schnitt, passte nicht so recht dazu aber, vermischt mit dem fetten Fruchtmus, ergab sich ein Duft der ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Dann stellte sie Milch und Zucker auf den Tisch vor dem Fenster. Bei dem Gedanken an das tropische Aroma des braunen Zuckers freute sie sich auf die erste Tasse Tee. Dazu die Semmeln aus dem Ofen, mit denen sich Wärme und eine mehlige Frische im ganzen Raum verteilte. Sie stieß das Fenster auf. Die Flügel öffneten sich weit nach außen und herein drang Regenluft.

Das war kein Regen der tagelang anhalten würde bis es kein trockenes Fleckchen mehr gab. Dieser Regen roch nach Frühling, nach Wachstum, nach Aufbruch. Die schweren Tropfen massierten die Blätter und Blüten der Linden. Einzelne Blüten schwebten durch die Luft. Es schien, als tanzten sie mit den silbrigen Kugeln die vom Himmel fielen. Von der Straße am Ende der Auffahrt stieg Nässe auf und hüllte den Straßenrand in einen Schleier. Deutlich meinte sie, den nassen Teer zu riechen. Auch die Erde dampfte. Der Atem des tropfenden Grases und das Aroma der wilden Kräuter wurde übertönt vom Duft der Lindenblüten. Alles war darin eingehüllt. Diese süße Schwere, die schon den Sommer ahnen ließ, durchbrochen und verstärkt vom Regen.

Regen, Regen!

Sie setzte sich und schenkte sich Tee ein. Was konnte an einem Tag, der so begann, noch schiefgehen?


In der Apotheke

Eine Kundin fragt nach einem Mittel gegen Hühneraugen. Die Apothekerin erklärt, wie es anzuwenden ist: „Es darf nicht auf die gesunde Haut, sonst wird sie wund und kann sich entzünden.“ Darauf die Kundin: „Das ist für meinen Mann. Da kann ich doch drauftupfen, oder?“